S. Petr: Soupis rukopisů knihovny při farním kostele svatého Jakuba

Cover
Titel
Soupis rukopisů knihovny při farním kostele svatého Jakuba v Brně.


Autor(en)
Petr, Stanislav
Erschienen
Prag 2007: Masarykův ústav a Archiv AV ČR
Anzahl Seiten
587 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Michele C. Ferrari

Die Abschottung der Länder östlich des Eisernen Vorhangs hat auch die westlichen Forscher dazu verleitet, diese Gebiete in ihren Recherchen zu ignorieren, wie eine politische Geschichte der historischen Forschung nach 1945 zeigen könnte. Die damnatio memoriae war doppelt, denn sie betraf nicht nur die Forschungsergebnisse aus den Ostblock-Ländern, die manchem und nicht selten unbegründet als marxistisch infiziert vorkamen, sondern auch die Bestände und Denkmäler selbst, die erst nach 1990 zugänglich waren. Hinzu kamen natürlich die sprachlichen Schwierigkeiten, welche die Forschung auf Tschechisch, Ungarisch oder Russisch vielfach ins Abseits stellte. Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall hat sich einiges geändert, u.a. weil die jüngere Generation offener ist und reisen darf, aber es bleibt sehr viel zu tun, bis der Bruch, der mitten in Europa verlief, verschwindet. Es ist deswegen zu begrüssen, wenn auf Bestände hingewiesen wird, die im Westen unbekannt sind. Hierzu gehören an vorderster Stelle die Denkmäler aus dem Mittelalter. Stanislav Petr legt mit diesem Buch den Katalog der mittelalterlichen Handschriften einer grossen mährischen Pfarrei vor, jener von St. Jakob, dessen markante Kirche aus dem 15. Jh. im Brünner Zentrum erhalten ist. Sie ist erstmals 1228 bezeugt und diente vor allem dem zahlenmässig und finanziell bedeutenden deutschen Bevölkerungsteil als Gotteshaus. In einem einleitenden Kapitel (zuerst auf Tschechisch, VII–XXX, und dann auf Deutsch, XXXI–LIX) erläutert Petr die Geschichte der Pfarrei und gibt Hinweise auf die Zusammensetzung der Bibliothek, deren Bestände (insgesamt 127 Nr.) ausführlich beschrieben werden (3–410). Der Band wird durch sehr ausführliche Register (413–530) und nicht weniger als 101 Farbabbildungen auf 24 Tafeln abgerundet. Die Beschreibungen sind präzis und zuverlässig, wie Rez. aufgrund eigener Recherchen in Brünn bezeugen kann, sie sind aber auf Tschechisch verfasst, so dass sie sich dem Unkundigen nicht auf Anhieb erschliessen, der auch die Informationen über die Geschichte der Handschriften nur mühsam wird eruieren können. Aber die Inhaltsangaben, nach modernen Standards gehalten, und die Register erlauben die bequeme Benutzung. Petr schreibt in der Einführung, dass es sich bei den Beständen in St. Jakob um eine typische Pfarrbibliothek mit pastoralem Schwerpunkt handelt und gleichzeitig um eine besondere Büchersammlung, weil sie in Tschechien einzigartig ist. In der Tat erreichen auch ausserhalb Tschechiens wenige Pfarrbibliotheken die Anzahl von 127 Codices, aber die Zusammensetzung entspricht weitgehend jener von zeitgenössischen Pfarrbibliotheken im Westen (wobei die Brünner Bibliothek eine erhebliche Anzahl von Manuskripten enthält, die noch im 14. Jh. geschrieben wurden). Die Schwerpunkte sind dieselben: Liturgische Handschriften (die aber ursprünglich wie überall wohl bei den Altären und nicht in der Bibliothek aufbewahrt wurden), Predigtsammlungen, Kanonisches Recht, kaum Hagiographie und Patristik, einige Texte aus dem mittelalterlichen Universitätsbetrieb (in der Regel aus dem Besitz von Klerikern, die sich in Wien und anderswo akademisch ausbilden liessen) und kaum «Schulhandschriften», obwohl eine Schule bei St. Jakob schon 1298 bezeugt ist. Der Sprach- und Literaturwissenschaftler mag bedauern, dass nur ein paar Zeilen Deutsch und Tschechisch in diesen lateinischen Handschriften auftauchen; der Forscher, der sich für die spätmittelalterliche Kulturgeschichte und Buchgeschichte interessiert, wird aber dieses vorzügliche Buch schätzen, das ein Prachtstück unter den mitteleuropäischen Pfarrbibliotheken erschliesst.

Zitierweise:
Michele C. Ferrari/Ulisse Cecini: Rezension zu: Stanislav Petr, Soupis rukopisů knihovny při farním kostele svatého Jakuba v Brně [Die Handschriftensammlung der Pfarrkirche zu St. Jakob in Brünn], Prag, Masarikův ústav a Archiv akademie věd České republiky, 2007. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 104, 2010, S. 467-468.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in
Weitere Informationen